Coronavirus: Was bedeutet die Krise an den Kapitalmärkten für Privatanleger?

Interview mit Oliver Herzog, Bereichsleiter Wertpapierfachzentren/Vermögensverwaltung

Stand: 14.05.2020

Die Corona-Pandemie bestimmt seit Monaten das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben – mit entsprechend drastischen Auswirkungen an den Kapitalmärkten. In dieser Situation sind viele Privatanleger verunsichert. Guter Rat ist gefragt! Wir haben mit Oliver Herzog, Leiter unserer Wertpapierfachzentren und der Vermögensverwaltung, die wichtigsten Themen besprochen.

Herr Herzog, die Corona-Pandemie hat die internationalen Aktienmärkte auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Was raten Sie Privatanlegern in dieser Situation – verkaufen, umschichten, abwarten?

Welche Strategie in der aktuellen Situation die richtige ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel der Risikobereitschaft des Anlegers, der Risikotragfähigkeit und insbesondere auch vom Anlagehorizont.

Für Personen, die bislang kaum oder gar keine Aktieninvestments besitzen, kann es aufgrund des immer noch ermäßigten Kursniveaus der Aktienmärkte durchaus interessant sein, erste oder weitere Investitionen zu tätigen. Immerhin ist der Deutsche Aktienindex DAX von seinem Hoch im Februar dieses Jahres bei rund 13.800 Punkten zum bisherigen Krisentief bei rund 8.200 Punkten um ca. 40 Prozent gefallen. Seit diesem Tief Mitte März hat sich der DAX zwar wieder erholt, bietet aber weiterhin knapp 30 Prozent Luft bis zu seinem Allzeithoch.

Ein Anleger, der bereits in großem Umfang Aktien hält und sich Sorgen um die kurzfristige Entwicklung macht, kann diese Erholungsphase nutzen, um die Depotstruktur der Situation anzupassen. Wichtig ist hierbei in Tranchen vorzugehen. Panik oder Eile sind in der Corona-Krise keine guten Ratgeber. Bei einem gut strukturierten Depot kann durchaus auch Abwarten eine sinnvolle Option sein.

Mein Tipp: Falls Sie unsicher sind, suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater und klären Sie gemeinsam, wie wohl Sie sich mit Ihrer aktuellen Vermögensaufteilung bzw. Ihrem Depot fühlen.

Ist ein Ende der Talfahrt an den Kapitalmärkten absehbar? Wann rechnen Sie mit einer nachhaltigen Erholung der Kurse?

Nach den massiven und sehr schnellen Einbrüchen der Aktienmärkte bis Mitte März kommt es aktuell zu einer Erholung auf niedrigem Niveau. Für Entspannung sorgen vor allem die billionenschweren Unterstützungs- und Kreditprogramme vieler Staaten und die weiteren geldpolitischen Lockerungen der Notenbanken. Auch die Tatsache, dass sich die COVID19-Fallzahlen in vielen Ländern deutlich abgeflacht haben und die dortige Wirtschaft nach einem nahezu totalen Stillstand wieder zu einer gewissen Normalität zurückfindet, trägt zu einer Beruhigung der Kapitalmärkte bei. Sorge bereitet hingegen das voraussichtliche wirtschaftliche Ausmaß der Corona-Krise. Beispielsweise beunruhigt die Entwicklung des US-Arbeitsmarktes die Börsen. Immerhin haben bislang rund dreimal so viele Amerikaner ihren Job verloren wie während der Finanzmarktkrise 2008/2009 und der Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Impulsgeber für die US-Konjunktur, die wiederum einer der wichtigen Motoren der Weltwirtschaft ist. Auch in Europa warnen viele Unternehmen vor Umsatz- und Gewinneinbrüchen – eine Entwicklung, die sich noch verschärfen dürfte, falls es im Zuge einer zweiten oder dritten Infektionswelle zu weiteren „Lockdowns“ kommen sollte. Nicht zuletzt belasten die ansteigenden Verschuldungen der öffentlichen Hand die Börsen, denn irgendwann müssen auch diese Schulden bedient und bezahlt werden.

Klar ist, dass wir uns in einer Rezession befinden und dass diese Phase sehr wahrscheinlich noch viele Monate andauern wird. Mittel- bis längerfristig – und damit meine ich einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren – rechne ich aber damit, dass wir wieder deutlich höhere Kurse an den Weltbörsen erleben werden. Eine Geldanlage in Aktien, über Fonds oder in Form einer Vermögensverwaltung bleibt damit langfristig eine sehr gute Möglichkeit, das eigene Kapital zu mehren. Insbesondere da die immensen Geldpakete der Regierungen sowie die Lockerungsmaßnahmen der Notenbanken für ein weiterhin historisch niedriges Zinsniveau sprechen.

Muss ich Angst um meine private Altersvorsorge haben?

Das hängt natürlich grundsätzlich davon ab, wie Sie Ihre Altersvorsorge strukturiert haben und ob Sie bereits kurz vor Ihrem Rentenantritt stehen. In jedem Fall lohnt sich ein Telefonat mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater, in dem Sie gemeinsam Ihre persönliche Situation besprechen können.

Ich kann Sie aber insofern beruhigen, als eine Altersvorsorge in der Regel längerfristig aufgesetzt ist und ich davon ausgehe, dass es sich bei der Corona-Krise weiterhin um eine Marktverwerfung über einen begrenzten Zeitraum handeln wird. So könnte die aktuell tiefe Marktphase eventuell sogar positiv für Ihre Altersvorsorge sein, da sich hieraus auch Chancen ergeben, die im Rahmen Ihrer getroffenen Vorsorgeentscheidungen genutzt werden können.

Wie reagiert die Frankfurter Volksbank auf die Turbulenzen an den weltweiten Märkten? Inwieweit passen Sie Ihre Anlagestrategien und Portfolios der aktuellen Lage an?

Natürlich beobachten wir die aktuellen Entwicklungen sehr genau und nehmen – wo sinnvoll – taktische Anpassungen unserer Anlagestrategien und Portfolios vor. So haben wir beispielsweise in unserer Vermögensverwaltung oder auch bei unserem persönlich-digitalen Vermögensmanagement „MeinVermögen“ schrittweise kleinere Umschichtungen zu Lasten von Aktien vorgenommen. Allerdings sind wir auch weiterhin vom nachhaltigen Anlageerfolg von Aktien überzeugt, sodass wir immer noch angemessen investiert sind. Seit mittlerweile fast 30 Jahren verwalten wir die uns anvertrauten Portfolios mit Weitsicht und ruhiger Hand und lassen uns nicht von kurzfristigen Marktgeschehnissen treiben. Das gilt auch für die aktuelle Corona-Krise, in der wir natürlich besondere Vorsicht walten lassen, aber unserer grundsätzlichen Anlagephilosophie treu bleiben.